J, ein Junge im Alter von 6 Jahren
Den Jungen J übernahm ich als Therapeutin im Alter von 2 1/2 Jahren und stärkte seine Möglichkeiten über 4 Jahre. Durch eine genetische Erkrankung waren seine Muskeln so schwach, dass man Weinen und Lachen nur durch seine Tränen unterscheiden konnte. Das Zwerchfell war so kraftlos, wodurch er einen Hustenassistenten brauchte. Über die Jahre erlernte er zu husten, Brei und etwas Flüssigkeit zu schlucken sowie Obst in Gaze zu kauen. Mit der Padovanpfeife wurde das Lungenvolumen größer. Sein Wortschatz erreicht inzwischen den Stand eines Vorschulkindes. Er spricht leicht undeutlich, da seine Zunge nicht kräftig genug ist. Sein Wissensdrang ist groß. Er ist jetzt ein lachender Schauspieler mit Höhen und Tiefen. Wachstumsschübe werfen ihn immer wieder in seinem Fortkommen zurück. Jede Bewegung wird täglich übend erhalten und Schritt für Schritt, ganz langsam gestärkt. Sein mühsam erkanntes Ich trägt nun Früchte. Munter im Rollstuhl dirigiert er sein Therapeutenteam und lässt auch gern mal die Beine baumeln.
Dezember 2019
Annelese in Anlehnung an die Inklusive LeseFibel und in Kombination mit IntraActPlus
Das die Muskeln des Jungen J zu schwach waren, gab es wenig Möglichkeiten mit Lautgebärden zu arbeiten. Aufgrund seiner späten Entwicklung haben wir intensiv über das Erleben der einzelnen Buchstaben das Lesenlernen aufgebaut.
Bilder zum Buchstaben A sind aus dem Hefter des Jungen J.
Wir begannen mit dem Buchstaben A. Zunächst guckten wir uns die Bildseite aus Annelese mit dem Buchstaben A an. Gleich oben ist ein Apfel zu sehen. Ich schälte einen Apfel an dem er gern leckte und dann ein kleines Stück in Gaze kaute. Dies wurde fotografiert. Wir lautierten das A, malten anschließend einen Apfel und schrieben die Buchstaben daneben. Der Stift in seiner Hand musste geführt werden, um genügend Druck auf den Stift ausüben zu können. In den nächsten Stunden sahen wir uns einen Anker, Asseln und Ameisen auf YouTube an. Die Tiere haben wir gemalt und immer wieder mit dem dazugehörenden Buchstaben in Verbindung gebracht, die er auch mit meiner Hilfe ausmalen musste.
Bilder zum Buchstaben M sind aus dem Hefter des Jungen J.
Weiter ging es mit dem Buchstaben M. Wir sahen uns alle Bilder aus Annelese an, die mit dem Buchstaben M beginnen. Danach trank er ein paar Schlucke Milch. Ich fotografierte dies. War nicht so einfach, in der rechten Hand das Glas und in der linken das Handy. Es schmeckte ihm dennoch sehr gut. In den nächsten Stunden malten wir erneut Bilder, die zum Buchstaben passten und mit Spaß verfolgte er Explosionen auf YouTube. Die Buchstaben wurden ausgemalt, stets wiederholt und lautiert.
Bilder zu den Silben sind aus dem Hefter des Jungen J.
Nach einiger Zeit begannen wir die Buchstaben zusammenzusetzen, wozu ich nach dem Vorbild von IntraActPlus individuelles Material ausgearbeitet habe. Mit großer Freude las er die Silben vor und benannte die Farben. Es war fast mühelos. Er benötigte wenig Hilfe. Wir erarbeitet die Silben MA und AM.
Dies soll als Beispiel reichen. Ich denke, dass ich meine Vorgehensweise deutlich darstellte und wünsche allen Lernenden viel Erfolg sowie innovative Eltern, Lehrer oder Therapeuten.
Der zukünftige Verlauf mit dem Jungen J wird nicht weiter beschrieben.